Wolodymyr
Wolodymyr
- liquidator
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Wladimir Wolkow (nachstehend: W.W.): Ich bin am 11. September 1948 in Woroschilowgradska (Luhanska) Oblast geboren. Meine Eltern haben in Schyikiwka gewohnt und meine Mutter ist dorthin gefahren, um mich zur Welt zu bringen. Im Jahr 1956 wurde ich eingeschult. 1964 habe ich einen Schulabschluss gemacht. Danach bin ich zur Abendschule gegangen und nach Charkiw gekommen, um in einer flugmilitärischen Berufsschule immatrikuliert zu werden. Ich bin nach Charkiw gefahren, um mich nach der Einschreibung zu erkundigen. Damals war ich in der 10. Klasse auf der Abendschule. Ich wurde dann von einer Ärztekommissiongemustert. Sie wurden nachgiebig. Und warum haben sie das getan? Damals hatten wir keine Pässe in unserem Dorf. Man fragte mich nach meinem Personalausweis, weil ich ja ein Zimmer im Studentenwohnheim kriegen sollte, ich hatte aber gar keinen. Ich habe gar nicht daran gedacht, dass ich mich immatrikulieren lassen würde. Ich wollte mich einfach nur nach allem erkundigen. Sie sagten mir, dass ich nicht genug Klassen hinter mir hätte. Der Leiter der Bildungseinrichtung bestätigte aber, dass ich bester Gesundheit sei. Ich war absolut unempfindlich.
Als ich nach Hause zurückgekehrte, hat mir unser Boriwer Militärkommissar gesagt: “Mach dir keine Sorgen. Mach einen Schulabschluss und geh zur Armee.“ Weil es damals sehr schwer, sogar fast unmöglich war, einen Pass zu bekommen, wenn man vom Dorf kam. Und im Jahre 1967 bin ich zur Armee gegangen und bin in Deutschland gelandet. 1968 wollte man mich in eine Bildungseinrichtung schicken, inzwischen hatte aber der Prager Frühling stattgefunden. Wir wurden an die Grenze zwischen der BRD, der DDR und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik geschickt. Dort lag eine militärstrategisch wichtige Straße. Als einfacher Soldat sollte ich nicht so viel wissen. Wir blieben dort nicht allzu lange, wir sind dann 20 Kilometer tiefer in die Tschechoslowakei weitergegangen. Als wir zurückgekehrt waren, war die Frist zur Einreichung der Unterlagen bei den militärischen Bildungseinrichtungen schon abgelaufen. Also wurde ich in die flugmilitärische Bildungseinrichtung in Wassylkiw immatrikuliert. Mein Cousin, der bei der Luftflotte diente, hat mir geholfen.
Als dort herauskam, dass ich die Flugkommission schon gemacht hatte, waren alle plötzlich sehr interessiert. Sie fragten mich nach meiner Ausbildung. So erwiderte ich: „Ich habe die Abendschule abgeschlossen.“ Damals musste ich von der Flugkommissionwieder gemustert werden. Man hat mich auf verschiedensten Trainergeräten getestet, es war mir aber alles Wurst. Ich habe nicht geraucht und keinen Alkohol getrunken. Ich wurde für die „Hundert“ ausgewählt, so nannte man diese Unterabteilung. „Das Wichtigste ist die Gesundheit, alles andere kann man lernen, und wir helfen euch dabei“, sagten die Lehrer. „Sogar ein Bär mit Klumpfuß kann doch Fahrrad fahren.“ Ich habe die Wassylkiwer Berufsschule als Hubschrauberpilot beendet, weil ich es damals so wollte, und mein Cousin hat mir diese Fachrichtung empfohlen. Mein Cousin aus Swatowe ist mit dem Flugzeug „Antonow An-28“ über den Balchaschsee geflogen. Da er viel älter war als ich, konnte er mir derlei Tipps geben. Noch in der Schule wollte ich Hubschrauberpilot werden. Der Cousin hatte mir aber geraten, Flugingenieur zu werden. Er sagte: “Du brauchst doch keinen Offiziersrang. Sei lieber Fähnrich.“ Wir haben schon eine Gruppe, die aus zwölf Personen besteht. Egal, ob es ein Offizier ist, oder ich – wir bekommen dasselbe Gehalt. Die Offiziere bekommen für die Flüge keine Zuschläge auf das Gehalt, Flugingenieure, Flugtechniker und Fähnriche schon. Also habe ich damals das Gehalt, das 220 Rubel betrug, bekommen. Dazu noch 75 Rubel für den Rang „Oberfähnrich“, 295 Rubel also insgesamt für meine Leistungsklasse und noch + 30 Prozent Zuschlag für die Flüge.
Ich wollte ja fliegen. Es war mir egal, welchen Dienstgrad ich haben würde. „Ich habe ein Diplom, damit habe ich alles. Es ist besser für mich, Fähnrich zu werden, weil ich dann heute mit dem Mi-8 als Flugtechniker und morgen schon mit dem Mi-6 fliegen kann.“ So lief es oft in Afghanistan, wenn man an Gelbsucht erkrankt war. Und aus drei oder vier Mannschaften wurde dann nur eine formiert. Ich war dienstlich zweimal in Afghanistan und zum Glück habe ich mich kein Mal angesteckt. Wir hatten schließlich zusammen in einer Mensa gegessen und alle zusammen in einem Zimmer geschlafen.
Ich habe die Bildungseinrichtung als Flugtechniker, oh nein – als technischer Mechaniker absolviert. Nach meinem Studium konnte ich Offizier werden, hatte aber dann keine Lust, Leutnant zu werden und bin also Fähnrich geblieben. Man fragte uns, was wir von Beruf werden wollten. Sogar Verteidigungsminister Grechko hatte nichts dagegen. In den Jahren 1972 bis 1974 hat man eine Hubschrauberstaffel zusammengesucht. Man hat aus den Regimenten der Jagdflugzeuge die Techniker an Bord gewählt, weil man gesunde Menschen brauchte, und es gab damals nicht so viele davon. Man kommt, um die Menschen ins Flugregiment auszuwählen. Allem Anschein nach sind alle gesund, aber es gab niemanden, den man für das Flugregiment auswählen konnte. Obwohl Piloten und wir von derselben Flugkommissiongemustert wurden. Das Wichtigste war die Kardiologie-Kontrolle. Ich habe nicht geraucht und keinen Alkohol getrunken. In Afghanistan habe ich doch zu rauchen angefangen, und in Syrien rauchte ich auch. Dort ist es unmöglich, nicht zu rauchen. Genauso wie auch in Tschernobyl.
In Deutschland habe ich als Hubschrauberpilot gedient. 1979 bin ich aus Deutschland in den Kiewer Militärbezirk in Olexandrija zurückgekehrt. In den Jahren 1981 bis 1982 war ich in Afghanistan, 1983 in Syrien, 1984 bis1985 wiederum in Afghanistan und im Jahr 1986 zweimal in Tschernobyl. Am 26. April ist die Tragödie passiert.
Tschernobyl. Das 51. selbständige Hubschrauber-Garderegiment in Olexandrija im Kyrowohrader Gebiet. Vier Hubschrauberstaffeln. Zwei Mal Mi-6 und zwei Mi-8. Wir waren Schtscherbitzki untergeordnet. Ob eine Geburt oder eine dringende Operation – wir haben alle sofort Schtscherbitzki angerufen und er hat immer die rote Schaltfläche gedrückt. Wir starteten sofort. Es kam schon vor, dass der Krankenwagen gerade in den Hubschrauber gefahren war und wir sind dann schon nach Kyiw geflogen, um die Menschen zu retten.
Der 26. April. Wenn ich mich nicht irre, war das ein Samstag. Und am Sonntag hatten wir vor, an den Krementschutsker Stausee zu fahren, um den Wilddieben Angst einzujagen. Darum hatte uns die Polizei gebeten. Denn wenn man über 100 bis 150 Meter über dem See fliegt, sieht man überall ein Netz. So ist die Polizei mit uns geflogen und einige Polizisten sind mit den Motorbooten gefahren. Eben noch sind die Informationen per Funk eingegangen, da sehen wir schon, dass die Motorboote die Netze bereits einsammeln.
Um sechs Uhr ging am Samstag der Alarm. Natürlich sammelten wir uns zuerst wegen eines Alarms und danach gingen einfach nach Hause. Sehr oft hatten wir Probealarme, also hat es niemanden gewundert. Damals wurden sechs Mannschaften ausgewählt. Die Besten der Besten ausgewählt, aber wofür, davon hatte man keine Ahnung. „Ihr fahrt dorthin, um einen Brand zu löschen.“ Ok, löschen können wir. Das war für uns schon nichts Besonderes. Man sagte nur, nehmt euch kein Dreibein, sondern ein Vierbein, in das man Sand wirft. Also sind wir weggeflogen, und wir waren ziemlich lange weg. Unsere Frauen haben sich Sorgen gemacht, haben sich versammelt und sind zusammen zum Leiter gegangen. Wir haben wie gewöhnlich angerufen und Bescheid gesagt, wann wir nach Hause zurückkämen. Und dann sind sechs Mannschaften einfach verschwunden, um einen Brand zu löschen. Und keiner weiß Bescheid, wo sie sind und was für ein Brand das war, wo es doch keinen Brand gab.
Und am 27. April kamen wir nach Tschernobyl, um ein Uhr 20 Minuten in der Nacht. Warum sind wir so lange geflogen? Als wir aus Oleksandrija (Kirowograder Gebiet) nach Kiew kamen, war ein starkes Gewitter, also sollten wir eine Umleitung fahren.
Soll ich jetzt die ganze Wahrheit erzählen?Ein Beamter vom KGB ist herausgekommen und hat gesagt: „So, Jungs, ihr seid taub, ihr seid stumm. Der Hauptmann steht auf dem Nachttisch, der Rangälteste ist der Major.“ Ich gehe auf die Toilette nach draußen, der Hauptmann begleitet mich, damit ich niemanden anrufen oder jemandem etwas sagen könnte. Wir sahen sowieso im Fernsehen, dass sich alle Menschen auf den 1. Mai vorbereiten, und… Jemand wird zum Flugplatz gebracht und es wird ihm gesagt: Versuch nur, dich zehn Schritte vom Helikopter zu entfernen… Mit dem KGB ist nicht zu spielen. (lacht). Erst jetzt kann man darüber sprechen. Und so war es die ganze Zeit.
Wir wurden am 27. April in der Frühe geweckt. Wir haben gefrühstückt. Dann wurden wir abgeholt und zu einem Helikopter gebracht. Man zeigte uns die Hubschrauber-Landeplätze „Kubok-1“, „Kubok-2“, „Kubok-3“, und wo der Sand in Säcken zu finden war, wie wir mit den Helikoptern umgehen sollten, um dort den Sand zu kriegen und ihn mitzubringen und zum Reaktor zu transportieren. Zuerst hat man uns alles gezeigt und dann Schluss. Uns wurde nicht gesagt, was wir nehmen würden und wozu.
Davor wurden zwei oder drei Feuerwehrmänner herausgeführt. Erst jetzt, im Nachhinein, verstehe ich warum. Sie waren nicht so radioaktiv infiziert, sondern sie waren Brandverletzte wegen der hohen Temperatur. Ich erkläre, warum ich das denke. Als wir anfingen, den Sand auf den Reaktor zu werfen, war ein Mann aus Moskau bei unserem ersten Flug dabei. Sogar jetzt habe ich keine Ahnung, wer er war. Er hatte etwa fünf Geräte dabei. Er hat sie entweder auf eine äußere Aufhängevorrichtung angeschnallt oder durch eine spezielle Öffnung abgeworfen. Als wir über den Reaktor flogen, hat er gemessen und der Reaktor hat gebrannt und geblitzt, als ob man darin geschweißt hätte. Er sagte uns: „Jungs, wir müssen uns auf der Höhe von 200 Metern befinden, da es da 150-170 Grad heiß da ist. Die Technik konnte eine so hohe Temperatur nicht aushalten und wir hätten eine Sauerstoffarmut bekommen können, da der Sauerstoff verbrannte.
Immer wenn wir zweimal losflogen sind, kam ein Vertreter zu uns und befahl: „Innerhalb von zwei Stunden nicht abfliegen.“ Wir haben den Helikopter angerührt, na, er war warm. Niemand sagte uns etwas. Wir vermuteten nur.
Wir haben alles, was dort geschah, mit eigenen Augen gesehen. Und abends im Fernsehen schwieg man über Tschernobyl. Sogar bis zum 14. Mai wurde geschwiegen.
Tatsächlich sind wir nach Tschernobyl geflogen, um den Brand zu löschen. Der Wald brannte. (Lacht.)
Am ersten Tag, am 27. April, haben wir zwei oder drei Feuerwehrmänner von dort weggebracht, vom Kernkraftwerk zum Flugplatz und von dort haben wir sie nach Moskau geschickt. Alle sind gestorben. Im Fernsehen wurde gezeigt, wie sie begraben wurden.
Wir sind immer in derselben Uniform über den Reaktor geflogen. Niemand hat uns andere Kleidung gegeben. Niemand kannte den Strahlungspegel. Meinen Unterlagen ist zu entnehmen, dass es 22 Röntgen waren. Es wurde zunächst nichts in die Unterlagen eingetragen, obwohl es in den Archiven war und uns später geschickt wurde. Es gab eine Regel für uns, wenn mehr als 25 Röntgen gemessen wurden, darf man nicht mehr fliegen. Deswegen sagte man: „Tragen sie ein, was sie wollen, da wir schon fast Rentner sind. Und man wird dich vorher entweder kündigen oder wegbringen. Wofür ist das notwendig?“
So haben wir am ersten Tag Feuerwehrmänner weggebracht. Dann haben wir irgendwelche Gegenstände nach Irpin gebracht. Einige kräftige Männer haben etwas in den Helikopter geladen. Wir hatten keine Ahnung, was das war. Vielleicht waren es irgendwelche Unterlagen.
Und warum wurden diese Sachen gerade bei uns an Bord geladen? Weil die Art unserer Bordbesatzung die Form Nr. 1 war, (d. h. der größte Zugang zu den staatlichen Geheimnissen), weil wir zur Arbeit an die Orte fuhren, wo Raketen abgeflogen sind.
Wir sind in der Nacht dorthin geflogen. Und man hat eine Rakete in den Helikopter getragen. Sie war verschlossen. Wir durften das alles nicht sehen. Diese Rakete wurde mit einer Folie bedeckt, die dann ans Fenster geklebt wurde. Von einer Seite konnte man alles sehen, von der anderen nicht. Wenn ich damals gewusst hätte, dass ich diese Folie hätte brauchen können, hätte ich welche mitgebracht, da wir so viel davon hatten. Für 12 Stunden wurden wir vom Helikopter ins Wohnheim ihrer Abteilung gebracht. Immer wenn sie diese Rakete einluden, riefen sie uns, damit wir prüften, ob sie fest genug befestigt wurde. Ob sie einen Kampfkopf hatte, wussten wir nicht. Sie war riesig, acht Meter lang. Der Helikopter MI-8 ist riesig und dennoch passte sie kaum dort hinein. Ich hatte keine Ahnung, was es genau für eine Rakete war.
Dann führten wir Menschen und Kinder aus Prypjat heraus. Die Kinder waren 15 bis 17 Jahre alt. Und niemand wusste, was Sache war. Vielleicht waren das keine gewöhnlichen Kinder. Wir haben sie nicht danach gefragt. Man hat uns befohlen, dorthin zu fliegen, und wir sind dorthin geflogen. Man fliegt und sieht, wie viele Busse in der Mitte der Straße fahren – oh, Mann! Nur die Busse fuhren die 80 Kilometer lang, 80 Kilometer lang nichts als Busse. In die eine und die andere Richtung. Das war die Evakuierung.
Als wir zum Reaktor flogen, war es so, dass wir um 8 Uhr schon angeflogen kamen und Sand abwarfen. Wir haben ihn runtergeworfen, runtergeworfen und wieder runtergeworfen. Wir sind bis auf die Höhe von 150 Metern gesunken. Wir hielten diese Höhe. Dann sahen wir: Es ist soweit. Der Reaktor brennt nicht mehr. Es gab keinen Blitz, wie beim Schweißen. Man sagte uns: „Aus! Vorbei! Nach Hause!” Wir fliegen nach Hause. Am Morgen kommen wir an, und es scheint, als ob wir nichts runtergeworfen hätten. Sechs Bordbesatzungen hatten doch gleichzeitig Sand abgeworfen. Danach haben es die Bordbesatzungen aus Cherson gemacht.
Am 2. oder am 3. Mai wurde uns Blei gegeben, damit wir uns darauf setzten, um die Strahlung zu mildern. Er ist sehr fein. Man darf nicht sprechen.
Vor jedem Abflug wurden Arzneimittel verteilt. Man gab Zivilisten 200 Gramm Wodka, das habe ich selbst gesehen. Sie hatten abhängig von der Zahl der Menschen zwei oder drei Kannen Wodka dabei. Das waren die Leute, die uns die Sandsäcke einen
Kilometer entfernt vom Reaktor aufluden. Sie bekamen 200 Milliliter Wodka. Und wir bekamen sechs Pillen, fünf oder sechs, sie waren bunt. Dabei standen ein Arzt und ein Ermittler der Personalabteilung vom KGB. Immer wenn wir in der Mensa beim Frühstück waren, gab man sie uns vor dem Essen. Man schluckte sie und zeigte die Hände. Sie prüften, ob man sie nicht versteckt hatte. Ob sie so kostbar waren, weiß ich nicht. Und wenn ich die anderen danach gefragt habe, was für Pillen das waren, hat man mir darauf nicht geantwortet. Wenn wir geflogen sind, hat man sie uns gegeben, danach hat man das schon nicht mehr gemacht. Die Jungs, die nach uns kamen, sagten: „Es gab keine Pillen mehr.“ Vielleicht hat man uns sie gegeben, weil wir die Ersten waren oder der Grund war ein anderer. Wer weiß.
Einmal begab sich ein Zufall. Wir warfen immer wieder Sand ab. Und damals kamen viele Menschen aus Moskau. Ich weiß nicht, wer sie waren, Dozenten oder Professoren. Also es waren Wissenschaftler. Alles interessierte sie. Sie flogen gerne mit dem Mi-8. Wir sagten ihnen, dass der Mi-6 leichter sei. Aber sie brauchten diese besondere Öffnung, die sich unten im Mi-8 befand. Und zwar brauchten sie diese Lücke, durch die sie ihre Technik abseilten. Durch diese Lücke fotografierten sie sehr gerne. Wir flogen so, wie sie es uns sagten. Wenn sie sagten: „Wir fliegen auf der Höhe von 100 Metern.“; flogen wir auf der Höhe von 100 Metern. Wenn dort ein Haus stand, umflogen wir es.
Genau damals hat man zu stehlen begonnen. Sie befahlen uns, wohin wir fliegen sollten. Wir haben zuerst eine, danach noch eine Runde gemacht. Dann haben sie befohlen, an einem Ort zu landen. Ein Auto wurde dort unter den Bäumen in einer Vertiefung untergebracht. Und dieses Auto hatte ein furchtbares Strahlungsniveau. Man hat uns befohlen, dieses Auto mitzunehmen und es dorthin zu liefern, wohin sie sagten. Dieses Auto wurde 30 Kilometer von der Zone, also 50 Kilometer von Tschernobyl entfernt versteckt.
(Lacht.) Deshalb durften wir mit niemandem reden. Es gab keine Brammen mehr, die sich auf dem äußeren Anhänger befanden. Daran wurde ein Flugschirm angehängt. Sie sind mit dem Flugschirm gefallen. Wir haben sie in einem Werk bekommen. Wir sind auf dieses Werk gelandet. Der Kommandeur hat mir befohlen, nach unten zu gehen und die Gegend zu prüfen, damit die Räder vom Flugzeug nicht kaputt wären und damit man das Flugzeug nicht kaputt macht, weil es kein Flugplatz, sondern ein Werk war. Ich habe das gemacht, und da ist ein Vertreter vom Innenministerium der UdSSR zu uns gelaufen und schimpfte lauthals: „Ihr kommt ins Gefängnis, verdammt noch mal!“ Er wollte schon nach seiner Pistole greifen, um zu schießen. Er ließ sich kaum beruhigen. Wir erklärten ihm: „Man hat es uns so befohlen.“
Dann mussten wir zu einem Dispatcher-Punkt gehen, um uns nach dem Gewicht und dem Außmaß der Belastung zu erkundigen, um das Flugzeug zu zentrieren. Das ist ja kein Auto, wo man alles in eine Ecke stellen kann, wo es ganz egal ist. Und hier kann man ja fallen. Wir haben ihm die Situation erklärtund er hat uns nur gesagt: “Ihr dürft nicht mit den Leuten sprechen.” (Lacht.) Anschließend ist noch ein Militärvertreter aus dem Innenministerium der UdSSR vom Betrieb gekommen und hat ihn beruhigt und gesagt: „Ihre Forderungen sind berechtigt.“
Während man uns entsprechende Unterlagen brachte, sind viele Menschen aus dem Betrieb zu uns gekommen, weil wir gerade auf dem Landeplatz gelandet waren. Ein Mädchen, das etwa 25 Jahre alt war, begann zu weinen. Wir haben sie beruhigt und danach gefragt, was passiert ist. „Es tut mir so leid für euch. Ich verstehe ja, was das ist. Mein Mann ist auch irgendwo bei euch dabei. Und der Militärvertreter vom Innenministerium schreit und lässt uns ins Flugzeug kommen, damit wir uns mit den Menschen nicht unterhalten. Sie fragt uns, ob wir Angst hätten. Und der Kommandeur sagt: „Warum sollten wir Angst haben? In Afghanistan wurden wir nicht getötet, in Syrien wurden wir auch nicht getötet, vielleicht tötet man uns hier auch nicht.“ Sie war erstaunt. „Wie kann das sein?“, fragte sie. „Habt ihr Frauen? Und habt ihr Kinder?“ –„Ja.“ „Seht ihr sie denn zumindest“? – „Natürlich, einmal im Jahr.“ sagen wir. (Lacht.)
Ist das nicht wahr, oder? In Afghanistan haben wir ein Jahr unseren Dienst abgeleistet. Was uns gerettet hat, also dass wir nur ein Jahr dort sein mussten. Wir mussten bei der Flugmedizinischen Kommission abgecheckt werden. So wurden wir am 1. Mai bei der Flugmedizinischen Kommission abgecheckt, das hieß, dass wir bis zum 1. Mai fliegen durften. Danach höchstens 15 Tage und Schluss. Es hat uns gerettet, dass man nicht länger als ein Jahr dort diente.
Das nächste Mal, als ich in Tschernobyl war, war es schon leichter. Das war im September, Oktober 1986. Und wie kamen wir dorthin? Der Hubschrauber Mi-8 hatte sich in der Kabelleitung verfangen und war verbrannt. 15 Menschen aus Moskau sind verbrannt. Das Einzige, was man hätte machen können, war, den roten Handhebel zu drücken und die Türen hätten sich dann geöffnet. Der Helikopter ist nach vorne abgestürzt. Die Bordbesatzung ist gestorben und die anderen konnten nicht herauskommen und verbrannten. Alle haben gesehen, wie sie brannten.
In der Armee hat man das Regiment versammelt und gefragt: „Hast du Kinder? Warst du dort? Du hast Erfahrung. Ihr fliegt dann bestimmt dorthin.“ Damals durften wir nicht so viel sprechen und man hörte uns nicht zu.
Damals habe ich Tomaten gesehen, so groß wie… (Er zeigt die Größe eines Balls.) Alles war riesig, unnatürlich. Als wir ins Dorf gegangen sind, um Sand in den Hubschrauber zu laden. Stell dir einfach vor, wie viel Sand man aufladen musste, wenn eine Antonow AN-12 jeden Tag angeflogen kommt und uns die Fallschirme bringt, in die wir den Sand luden. Es wurden auch Lappensäcke für den Sand gebracht. Innerhalb von 24 Stunden wurden sie alle aufgebraucht.
Les Isaiw (weiter: L. S.): Wie viel Sand habt ihr auf einmal geladen?
W.W. Durch den äußeren Anhänger wurden normalerweise acht Tonnen gehoben. Wie viel Sand man uns aufgeladen hat, davon habe ich keine Ahnung.
Die Dienstbehörde wusste mehr darüber. Grob geschätzt, waren das 30 Säcke Sand und das andere war Blei. Wir haben den Sand und das Blei auf den Reaktorgeworfen. Und während wir schwebten, haben wir ein Drahtseil gespannt, damit sie ihn einhakten und wir konnten zum Reaktor heben. Wir sind nicht gelandet, wir haben die Schrauben nicht abgedrosselt. Man hat die Fallschirme am Helikopter eingehakt, die während der Landung reaktive Abwehrjäger fallen ließen. Man hat in diese Fallschirme, wie in einen Schurz, die Säcke mit Sand und die Kannen mit Blei gelegt. Die Fallschirme hatten ja Hängebügel für die Befestigung. Das waren vier oder fünf Tonnen, so dachten wir, aber wie viel genau, wussten wir nicht.
L. S.: Und wie habt ihr bestimmt, wann man diesen Fallschirm mit der Ladung über dem Reaktor fallen lassen musste?
W.W.: Auf einem neunstöckigen Haus in Prypjat saß ein spezieller Dispatscher, der Generalmajor Antoschkin. Er hat uns befohlen „Ablass!“ Er hatte alle Geräte. Dieses neunstöckige Hochhaus lag weniger als ein Kilometer von der Station entfernt, wenn man direkt schaute. Oder sogar noch weniger. Die Distanz war sehr klein. Und wir sind 150-200 Kilometer pro Stunde geflogen und wenn Antoschkin uns es befahl, ließen wir die Ladung fallen. Manchmal passierte es, dass wir sie daneben haben fallen lassen und sie in den Turm von Tschernobyl eingeschlagen hat. Dieser Turm hatte Spreizklammern, damit man klettern konnte. Also wenn man die Belastung daneben fallen ließ, dann fielen diese Spreizklammern nach unten. Man hat diesen Turm platt gemacht. Er wurde nicht abgerissen, aber die Ladung stieß sehr oft dagegen.
Wir hakten den Fallschirm ein, der schon beladen war. Man hatte uns nur eine Halteleine gegeben. Wir ließen unser Drahtseil herunter. Sie haken diese Bramme. Wir haben sie bis zum äußeren Anhänger, bis sie einklinkt, wie ein Schluss in einem Haus. Ich berichtete es dem Kommandeur. Und weiter ging es schon schneller. Wir flogen der Route weiter nach und ließen sie fallen. Wir beobachteten, wie der Wind nach rechts weht, deshalb flogen wir nach links, damit wir gegen die Windrichtung flogen, damit es schneller geht.
Wir fragten uns, warum man nicht tiefer sinken durfte. Da die Temperatur dort sehr hoch war. Auf der Höhe von 150 Metern betrug die Temperatur 150 Grad oder sogar höher. Wie hoch die Strahlung dort war, weiß ich nicht, da wir keine Dosismesser hatten.
(Lacht.) Aber die Dienstbehörde hatte sie. Dort, wo wir die Fallschirme hergeholt hatten, sammelte sich die Dienstbehörde. Immer wenn es um Sand ging, wurden uns alle diese Selbstfüller-Speicher an Bord gereicht. „Dreh eine Runde über dem Reaktor“ Das musste man machen, damit sie zeigen, wie viel Strahlung sie bekommen haben. Wir haben ja sehr, sehr viel davon abgekriegt. Man kam an und nahm acht oder zehn Stück davon mit. Immer wenn wir oben waren, haben wir sie fallen lassen, und sie sammelten sie, jeder suchte nach seinem Selbstfüller-Speicher. Sie haben vom Anfang an gelogen. Auf solche Weise waren ihre Dosen der Strahlung immer hoch. Deswegen waren sie die Helden von Tschernobyl. Sie haben für sich selber höhere Dosen eingetragen, für die anderen haben sie aber niedrigere Dosen eingetragen. Dafür hatten sie auch die gesetzmäßigen Unterlagen. So hat einer von ihnen seinen Selbstfüller dreimal abgegeben. Das waren keine gewöhnlichen Soldaten, sondern Leute aus Ministerien. Sie wollten auch, dass wir als Pseudo-Liquidatoren galten. Und wenn sie von der speziellen Apparatur wären abgecheckt worden, dann wären sie stark erstaunt gewesen, da sie keine so hohe Strahlung bekommen haben, wie auf diesen Speichern angezeigt wurde.
Unsere Bordbesatzung bestand aus sechs Personen, das waren ein Kommandeur, ein Co-Pilot, ein Steuermann, ein Bordmonteur, ein Bordmechaniker, ein Operateur und ein Bedienungsmann. Ich war Bordmechaniker. Ichließ die Fracht wieder runter. Am dritten oder am vierten Tag begann man, uns in die Badestube zu führen, damit wir badeten. Man sagt, dass man uns dort jeden Tag neue Kleidung gegeben habe. Nein! Was wir anhatten, als wir flogen, das hatten wir die ganze Zeit an. Es wird behauptet, aber tatsächlich haben wir keine Kleidung gewechselt. Manchmal wusch man die Helikopter ab. Sie wurden mit dem Schlauch vom Lösch-Fahrzeug abgespritzt.
Das Wichtigste ist, dass man uns niemals gesagt hat, wie viele Röntgen wir hatten. Diese Selbstfüller (die wurden auch die Speicher genannt) zeigten falsche Messungen an. Wir sind ja alle zusammen geflogen, aber wir hatten unterschiedliche Anzeigen. Laut den Anzeigen hatte ich zum Beispiel zehn Röntgen, der andere drei Röntgen, und jener minus eins Röntgen. Das heißt, dass die Anzeige seines Speichers in die andere Richtung zeigte. Man sagte uns, dass diese Geräte bis zu dieser Zeit seit 1945 in Lagern gelegen hatten. So was!
Das Einzige noch, Scherbina war damals der Minister der Atomenergiewirtschaft der Ukraine. Er war ein guter und ruhiger Mann. Wie auch wir ist er geflogen. Immer wenn wir auf dem „Kubok“ landeten, kam er zu uns und hat sich immer dafür interessiert, wie es uns geht. Niemand würde sagen, dass er als typischer Minister tätig war. Immer hat er uns begrüßt. Wenn wir ihn darum baten, hat er für uns Kwas, Sitro und Limonade organisiert. Unser Geld war schnell alle. Darüber haben wir uns bei ihm beschwert. Und er hat gesagt“ Na, fliegt. Das Geld finde ich schon.“ Als wir landeten, gab er uns Geld. Wir waren zufrieden. Wir haben uns Wasser gekauft. Die Verkäuferin sagte: „Werft die Flaschen nicht weg.“ Wir haben eine Runde oder vielleicht zwei Runden gemacht und sind wieder gelandet. Er fragte uns: „Jungs, wo ist das Geld?“ Wir haben geantwortet, dass wir es schon ausgegeben hatten. „Morgen bekommt ihr das Geld, das ihr ausgegeben habt.“
Die Sache war so, dass man das Wasser für uns kostenlos geholt hatte. Und sie hat es verkauft. Wie konnten wir das wissen? Und wohin ist sie verschwunden? Keine Ahnung. So war es damals, einige haben sich bereichert, die anderen haben ihr Leben für die anderen riskiert. Diese Marodeure sind gekommen. Am Abend kam der Kommandeur des Regiments.
Wir haben ihn gebeten, dass er diese Marodeure verjagt. Mir scheint es, dass man sie wirklich erschrocken hat, weil dann die Ruhe in der Stadt Prypjat herrschte. In den Wohnungen sind alle Sachen geblieben. Die Leute wurden aus der Stadt evakuiert, doch alle Sachen sind geblieben. Das ist ja gut, dass man dazugekommen ist, alle Unterlagen mitzunehmen. Alle haben ja gedacht, dass alle bald wieder nach Hause kommen könnten.
Die Marodeure haben oft die Sachen aus den Wohnungen gestohlen. Man hat sie weggeworfen, so scheint es mir. Man hat vielleicht von einem Helikopter aus geschossen. Aus der Höhe von 200 Metern konnte man gut zielen. Man hat ein paar Mal geschossen und alle sind weggelaufen. Zum zweiten Mal wollte man das nicht mehr machen.
Tarasjuk Sergji: In Prypjat hat man das Zentrum der zentralen Wache gegründet und alle Objekte haben zu diesem Punkt gehört. Es gab zwei Mannschaften eines speziellen Bataillons, die nach dem Signal des Operateurs zu den Objekten gefahren sind. Alle Häuser, alle Treppenhäuser hatten ihre Nummer. Die Treppenhäuser hatten sogar Störmeldeanlagen. Das Erdgeschoss war blockiert und befanden sich also unterhalb der Störmeldeanlage. Wir hatten unser eigenes Elektrosystem und einen Akkumulator für die Störmeldeanlage. Es gab das System „Skala (Felsen)“, das an das zentrale Tafelfeld angeschlossen war. Jede Nacht wurde fünf- oder sechsmal diese Leitung unterbrochen, das heißt, es wurde in etwa zehn Häuser eingebrochen. Damals gab es viele Diebstähle. Und nichts hat geholfen. Dann hat man darauf hingewiesen, dass wir innerhalb einer Woche die Plünderung ausrotten müssten, sonst würden wir als Beteiligte betrachtet. Unter so einer strengen Ägide so befanden wir uns. Wir hatten zwei Kompanien, und zwar die erste und die zweite. Die erste hat Tschernobyl und die zweite Prypjat bedient. In jeder Kompanie gab es vier Truppen, insgesamt 120 Menschen.
W.W. Ich war in Tschernobyl bis zum 5 Mai. Die ganze Zeit haben wir den Brand mit Sand und Blei gelöscht. Die Proportion kenne ich nicht. Wir haben das eingeladen und abgeworfen, welche Rolle spielt es schon? Es war uns auch egal, wenn es dazu auch Seife hätte gegeben. (Er lacht.) Pro Tag machten wir zehn oder zwölf Abflüge, oder manchmal weniger. Es hing nicht von uns, sondern von der Temperatur draußen ab. Die Wissenschaftler haben sie gemessen. Jetzt beginne ich, das zu begreifen. Und damals haben diese Professoren mit uns nicht geredet und uns nichts erzählt. Er hat gemessen und gesagt: „Nicht fliegen.“, und Schluss.
L.I. Wenn so eine hohe Temperatur außerhalb von Bord herrschte, kann man sich vorstellen, wie hoch die Strahlung war.
W.W. Das ist wirklich so. Man konnte uns kaum abwechseln. Das war nicht so leicht, wie es zunächst scheint. Und der Helikopter… Es gab schon viele Helikopter, die kaputt waren, und sie sind ja nicht billig, und die Menschen haben bei uns gar keinen Wert. Die ganze Zeit sind wir mit denselben Helikoptern geflogen, mit denen wir aus Oleksandrija gekommen waren. Und dann haben wir sie dort gelassen und sind damit nach Hause gekommen. Und zum zweiten Mal haben wir sie auch nach Hause geflogen, also standen sie irgendwo in Oleksandrija. Vor kurzem habe ich sie im Fernsehen gesehen, als wir das Jubiläum unseres Bordregimentes gefeiert haben. Sie sind schon zu Gedenkstätten geworden.
L. I. Die haben vielleicht eine starke Strahlung.
W. W Wir waren bei der Schulung in Weißrussland. Und wir waren ja als Erste in Tschernobyl. Als unser Helikopter geprüft wurde, haben sie sich dort erschrocken und gesagt: „Scheiße!“ Sie haben ihn auseinandergebaut und bis zum letzten Bolzen gereinigt. Ich habe so gelacht und gesagt, dass er bisher nie so gereinigt worden war. Dafür hat man extra eine Mannschaft aus Konotop geschickt, weil man sie dort renovierte.
L.I. Und was ist da raus gekommen. Die Strahlung ist ja drinnen.
W.W. Das ist klar. Man hat uns quasi gezeigt, dass der Helikopter steril ist. Obwohl wir uns alle im Klaren waren, dass das nur eine Formalität war. Wenn ich auf den Finger spucke, kann ich ja die Höhe der Strahlung nicht prüfen. Wir hatten dafür keine Geräte. Als wir nach Hause zurückgekehrt sind, ließ man uns nicht fliegen. Man brauchte uns nicht mehr. Sie wissen wahrscheinlich nicht, was sie mit uns machen sollten. Wie man sagt, zwischen dem Himmel und der Erde. So hat man uns nach Kyjiw geschickt. Wir sind nach Irpin geflogen. Als wir dort ankamen, waren Dozenten, Professoren, also Ärzte da. Sie haben uns abgecheckt und gesagt: „Kommt nach Moskau.“ Und wir hatten ja schon gehört, dass man nach Moskau kommt und dann dort begraben wird. Wir haben dann gesagt „Nein. Wir bleiben zu Hause. Wenn wir sterben, dann lieber zu Hause.“ Und von den sechs Bordbesatzungen sind nur zwei nach Moskau gefahren. Und dann ist ein Arzt, der ungefähr 70 Jahre alt war, zu uns gekommen und hat uns abgecheckt und uns die Wahrheit gesagt: „Die Mutter hat euch gesund geboren, so sterbt ihr auch gesund. Ich kann euch nicht heilen, weil die Strahlenkrankheit nicht zu kurieren ist. Einer wird sie schlecht ertragen, der andere nicht so schlecht. Man kann nur die Gesundheit hüten, aber es gibt keine Garantie. So sind wir nicht nach Moskau gefahren und sind hier geblieben.
So waren wir dort. Einmal ist ein Arzt gekommen und hat uns gesagt: „Jungs, wisst ihr was? Hört mit der Langeweile auf und geht in die Disco! Es wird spannend sein, los in die Disco! So sind wir Dummköpfe wirklich in die Disko gegangen. Und dort hat ein Quatschkopf gerufen: „Liebe Genossen, die Todeskandidaten sind angekommen. Alle sind auseinandergelaufen, und wir sind dort alleine geblieben. Ich schwöre, das war in einem Sanatorium in Irpin. So sind wir damals in die Disko gegangen. Sie hatten Angst, dass sie sich bei uns mit der Strahlung anstecken.
In Irpin hat es uns gut gefallen. Die Jungs sind dann nach Moskau geflogen. Sie sagten, dass ein Arzt, der ungefähr 70 Jahre alt war, zu ihnen gekommen war. Und noch fünf oder sechs Frauen waren mit ihm, das waren wahrscheinlich seine Kolleginnen. Wenn sie uns Blut abgezogen haben, haben sie uns sofort eine Flasche „Kagor“ gegeben. Wenn sie uns Blut abgezapft haben, haben sie uns drei Flaschen „Kagor“ gegeben. Die Schilddrüse – zwei Flaschen „Kagor“. Wenn sie „Kagor“ mitgehabt haben, haben sie ihn uns gegeben. Und wir haben ihn unter dem Bett versteckt. Und den roten „Kagor“ mussten wir trinken. Wir haben sechs oder sieben Flaschen mitgebracht. Es war das Jahr 1986. So konnten wir den Wein bis zum Mittag trinken und erst nachmittags haben wir Wodka getrunken, da im Land Alkoholverbot herrschte. Und was Appetizer angeht, war es damit damals schwer. Wir hatten Geld. Wir sind nach Irpin gefahren. Der Fahrweg. Die Kastanien. Die Fußgängerzone. Das Lebensmittelgeschäft. Wir traten ein. Es gab Lebensmittelkonserven und Brot. Das war alles, was wir brauchten. Wir haben unter den Kastanien gesessen, den Wein getrunken, Lebensmittelkonserven und Brot gegessen. Wenn die Polizei zu uns kam, hatten wir spezielle Bücher mit dem roten Strich, so haben wir sie ihnen gezeigt. Wir galten als Todeskandidaten. Niemand hat uns was getan, weil wir ja Todeskandidaten waren.
So haben wir da gesessen und gesessen. Die Polizei hat beim Wodkaladen gestanden. Und wir sagten einander „Lasst uns einen Zehntelliter trinken.“ Wir kamen zum Laden und mussten nicht mal Schlange stehen. Über die Köpfe hat man uns Flaschen weitergegeben. Alle haben Todeskandidaten respektiert, niemand hatte was gegen uns. Das war einerseits angenehm, andererseits war es auch sehr schmerzvoll.
Als wir zum ersten Mal sehr lange unterwegs waren, wusste niemand, wo wie waren. Unsere Frauen sind zur Abteilung gekommen und haben sich danach erkundigt, wo wir waren. Man berichtete über keinen Brand im Fernsehen. Und wir sind mit dem Auto zum Dienst gefahren, weil wir dann zum Angeln gehen wollten. Meine Frau hat gesagt, dass ich weg war und mein Auto auch. Dann haben sie meine Freunde herbeizitiert, und sie sind dann zum Flugplatz gegangen und haben mein Auto abgeholt. Wir sind irgendwohin geflogen, und niemand wusste, wo wir sind. Und wir sind erst am 5. Mai zurückgekehrt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat man unseren Frauen nicht gesagt, wo wir waren. Wir sind angekommen, wir wussten alles und die Stadt hat gefeiert. Man lebt sein Leben. Erst am 14. Mai hat Gorbatschow bekanntgegeben, was passiert ist. Und wenn Schweden und das Ausland nichts gesagt hätte, hätte niemand erfahren, was passiert ist. In Schweden wusste man es, weil die radioaktive Wolke in diese Richtung gegangen ist.
Wer als Erster in Tschernobyl ankam, da muss ich sagen, das war schlimm. Tatsächlich wissen wir nichts. Man hat uns gesagt, dass 25 Röntgen in die Unterlagen von dem fliegenden Personal eingetragen werden sollten. Mehr weiß ich nicht. In meinen Unterlagen vom Archiv steht es, dass ich 35 Röntgen Strahlung bekommen habe. Und wie wirklich war, weiß ich nicht. Vielleicht wusste es dieser General, der auf dem Dach des neunstöckigen Haus gesessen hatte.
Mykola Edument (weiter: M.E. ): Dieser General, der auf dem Dach vom neunstöckigen Haus saß, erzählt in einem Dokuvideo, dass man pro Anflug zum Reaktor fünf oder sechs Röntgen abbekam. Man wusste, wie hoch die Strahlung war. Man wusste alles, hat uns aber nichts erzählt.
W.W. Immer wenn diese Menschen von der Kommission aus Moskau kamen, haben sie alles gemessen, aber mit uns haben sie nicht darüber gesprochen. Wir haben danach gefragt. Und sie haben uns nichts darauf erwidert. Damals durfte man nicht viel reden. Jetzt darf man und damals war es anders.
M.E. Diese Menschen, die Hubschrauberpiloten, hatten eine echt gute Gesundheit.
W.W. Na, ein Professor hat uns gesagt, wenn ein Hühnchen krank geboren ist, dann sticht man es ab. Wenn man ein gesundes Hühnchen abstechen muss, dann darf man das auf keinen Fall machen. Man muss solange leben, soweit es geht. Wenn mir etwas wehtut, achte ich nicht darauf. Deswegen war ich niemals irgendwo. Weder während der Zeit in Afghanistan noch während der Zeit in Tschernobyl.
Zum zweiten Mal war es in Tschernobyl schon viel leichter. Man hatte begonnen, den Sarkophag zu bauen. Und die Bergarbeiter haben die Tunnel gebaut. Von dort haben wir Erdboden weggeführt. Wozu sollte dieser Erdboden weggeführt werden? Damals haben wir diesen Erdboden nur abgespritzt. Wir haben diese Gegend dekontaminiert. Da war es viel leichter. Wir hatten bereits keine dieser Busse. Alles war viel leichter. Wir haben den Boden abgespritzt, damit kein Staub aufwirbelte. Spezielle Böttiche wurden für uns bereit gestellt, die aus speziellen Wagen getankt wurden. Im Hubschrauber standen zwei große Böttiche, weil wir durch den äußeren Anhänger bis zu acht und ins Salon bis zu zwölf Tonnen mitnehmen durften. Ein Böttich steht dann rechts und der andere links. Wenn ich mich nicht irre, so waren in jedem Bottich 2000 Liter. Pro Tag haben wir drei oder vier Flüge unternommen. Manchmal auch nur einen. Alles hing von der Hauptbehörde ab. Was sie sagte, war dann so. Sie befahl uns, welche Pflanzen man abspritzen musste. Wenn wir sie abspritzten oder während es regnete, egal, mussten wir das nochmal machen. Wir haben uns nach diesen Kleinigkeiten nicht erkundigt. Die Höhe war 100 oder 120 Meter. Damals hat uns niemand befohlen, welche Höhe das sein sollte. Und die Geschwindigkeit war mehr als 100 Kilometer pro Stunde. Die Bordbesatzung war dieselbe. Mit dieser Bordbesatzung war ich überall, in Afghanistan zweimal, in Syrien, in Tschernobyl. Wir hatten uns aneinander gewöhnt, das ist ja wichtig.
Immer wenn wir mit der Bordbesatzung gelandet sind, haben wir ein Taxi bestellt. Einige wurden von den Kindern abgeholt, die anderen sind mit dem Taxi gefahren. Und wir machten es weiter. Na, bei uns war es niemals so, dass wir betrunken waren. Wir haben Alkohol getrunken, aber nicht zu viel. Wir haben etwa einen Fünftel- oder einen Viertelliter getrunken, nicht mehr. Wir haben den Kommandeur der Staffel gewarnt, dass wir nach der Arbeit einen Geburtstag feierten, damit er uns keine Arbeit mehr gab
Obwohl wir im Мі-6 80 Kilogramm Spiritus gegen die Eisbildug dabei hatten. Der hatte 96 Grad Alkoholgehalt und wenn man Glyzerin dazu gibt, bekommt man 77 Grad. Als wir aus Oleksandrija nach Tschernihiw geflogen sind, hat man uns befohlen: „In der Nähe von Tschernihiw gibt es rechts auf einer Wolke Eisbildung. Bereitet das System vor, das die Eisbildung stoppt. „Und wozu hat er das gemacht? Damit eine spezielle Tonaufnahmegemacht wurde. Der Kommandeur sagt: „Alles klar. Gut. Seid auf die Eisbildung vorbereitet.“ Alles ging gut. Zehn Liter Spiritus wurden pro Minute, während das System funktionierte, aufgebraucht. Wir landeten, haben einen Kanister abgeholt und ihnen zehn Liter abgegeben.
Meine Frau kommt auch aus Schyikiwka. Wir beide kommen aus diesem Dorf. Beide sind da in die Schule gegangen. Da haben unsere Eltern und Großeltern gewohnt. Meine Mutter war drei Jahre lang in Buchenwald. Die Deutschen haben sie dorthin geschickt, weil sie schön gesungen hat. Deshalb hat sie überlebt, weil sie für sie gesungen hat. Man hat sie von Raihorod abgeholt.
Zum zweiten Mal hätte man uns nicht abgeholt, wenn der Helikopter nicht gebrannt hätte. Und ich kannte diese Menschen, die verbrannt sind, sehr gut. So hat man uns angeworben, drei Bordbesatzungen, und hat uns gesagt: „Jetzt geht es los, Jungs!“
Bei uns in Oleksandrija hatten wir einen sehr guten Sekretär des Stadtkommitees. Er hat uns immer begrüßt, wenn wir aus Afghanistan und aus Tschernobyl zurückkamen. Immer wenn wir 200 Stunden in Afghanistan geflogen sind, haben wir dann einen zehn Tage langen Urlaub bekommen.
Es gab auch Gebärende. Wir haben eine Gebärende gerettet. Wir brachten sie nach Kiew. Dort hat sie ihr Kind geboren. Alles war okay. Ein Monat war vergangen oder vielleicht sogar mehr. Sie ist mit dem Kinderwagen und mit dem Kind gekommen. Die zweite Staffel hat eine Gebärende gerettet. Sie ist geblieben. Wir wurden aufgestellt. Sie hat uns eine Flasche Sekt, eine Schachtel Pralinen und zwei oder drei Orangen und Zitronen geschenkt. Wir waren 100 Personen. Der Kommandeur hat das alles demjenigen, der bald Geburtstag hatte, gegeben. Und einer von uns hat den Hut abgesetzt und ihn in die Runde gestellt „Jungs, gebt mal fünf Rubel.“ So haben wir das Geld gesammelt und dieser jungen Mutter und ihrem Kind die 500 Rubel geschenkt. Solche Frauen sind oft zu uns gekommen, manchmal auch mit ihren Eltern. Wir hatten sie ja evakuiert. Wenn der Helikopter aufstieg oder sank, begannen sie, zu gebären. Ich habe ihr geholfen, zu gebären. Die Krankenschwester rief: „Drücke stärker auf ihren Bauch.“ Ich frage: „Tut es dir nicht weh?“ Sie schwieg und schüttelte den Kopf. Wir sind gelandet und der Krankenwagen war schon da. Wir haben alle gerettet. Auch wenn es zum Beispiel eine Komplikation mit einer Blinddarmentzündung gab. Nur in Kiew führte man solche Operationen durch. Bei uns war es einfach. Wenn man uns brauchte, braucht man uns.
Nach dem ersten Tschernobyl hat man uns in einem Kulturhaus der Stadt Oleksandrija versammelt und der erste Parteisekretär hat uns 900 Rubel gegeben. Und er ist manchmal zu einem von uns gekommen und hat gesagt „Hast du auf der Uniformjacke diese Medaille? Gebt ihm diese Medaille!“ (Er lacht).
Die Lebensmittelversorgung war bei uns sehr gut. Man hat uns gute Nahrungsmittel angeboten. Meine Frau war auf mich sogar manchmal sauer und sie fragte, warum ich zu Hause nichts äße. Und ich dachte, wenn es zu einem Durchfall in der Luft kommt, was soll ich dann machen? Es gab dort ja keine Toilette. Und da hatten wir eine spezielle Ernährung. Zum Frühstück haben wir Eier und Brei gegessen. In Tschernobyl gab es für uns auch gute Verpflegung. Jeden Tag gab man uns sogar Schokolade – eine sehr kleine Schokoladentafel. Aber innerhalb der Woche hat man dann ja eine Tafel Schokolade. Man gibt ein paar Stückchen der Kellnerin und den Rest nimmt man mit nach Hause. Damals wusste die Kellnerin genau, wer gerne gekochte und wer gerne gebratene Eier aß.
Die Bordbesatzungen wurden den Charaktereigenschaften entsprechend gebildet. Wir stritten nie. Wir kannten einander sehr gut. Wir haben einander immer geholfen, auch was Probleme in den Familien anging. So sind wir mit derselben Bordbesatzung acht Jahre lang geflogen. In Afghanistan haben wir Munition ausgeführt, haben geschossen. Mit dem Mi-6 haben wir Brennstoff oder Verletzte transportiert. Es hing von der Situation ab. Als wir mit dem Мі-8 geflogen sind, war die Situation ganz anders. Da haben wir geschossen. Es war mir egal, mit welchem Helikopter ich flog. Ich kannte mich mit den Geräten auf jeden Fall gut aus. Die Helikopter und die Geräte unterscheiden sich nicht. Es ist wie mit einem Auto.
Die Verluste waren groß. Zehn Bordbesatzungen sind losgeflogen und eine davon ist nicht zurückgekehrt. Das passierte sehr oft. Um eine abgestürzte Bordbesatzung zu retten, mussten noch zehn Menschen sterben. Die Afghanen hatten sie vermint. Wenn man zu einem kroch, jemanden herauszog, sprang eine Spannstange an. Diese Spannstangen waren aus Afghanistan gekommen. Es war nicht schwer, sie herzustellen. Man hackt eine Granate und spannt sie. Und das warʼs. Man braucht dafür kein großes Fachwissen. Wir sind aus Kandagar nach Kuschka gekommen, haben viel Kohl, Tomaten und Lebensmittel mitgebracht. Auch haben wir humanitäre Hilfe geleistet, haben alles den Afghanen gegeben, was in den sowjetischen Läden schon als verdorben galt. Immer wenn wir dort ankamen, haben sich die Afghanen versammelt. Der Kommandeur fragte: „Was sollen wir machen?“ Das Elend war sehr groß dort.
Bei den Afghanen waren wir oft zu Besuch. Sie hatten Häuser aus Ton. Es hatte vier Wände, im Zentrum befanden sich die Türen. In einem Zimmer schliefen die Frauen. Die Frauen wurden auf dem Markt verkauft. Eine Frau kostete 8000 bis 50 000. Man konnte sich sogar fünf Frauen kaufen. Es gab ein Zimmer für Frauen, ein Zimmer für mich und eins für die Kinder. Am Boden lagen Stroh und Kamelhaut, dort schliefen die Kleinen. Am Morgen steht die älteste Frau auf und lässt die Kinder in einem Fluss baden. Entschuldigung, aber ich erzähle nur die Wahrheit. Ein Kind badet, das andere pinkelt, und das andere kackt noch. Eine Frau wäscht die Wäsche. Und das Wasser ist schwarz. Wir sind zuerst auch in diesem Fluss geschwommen und als wir einmal gesehen haben, was sie da machen, haben wir aufgehört, dort schwimmen zu gehen. Die Kinder haben kurz gebadet und dann ließ man sie schnell nach Hause gehen. (lacht)
Wir haben Ölkonserven und Tomaten aufbewahrt. Wir haben zwei Gruben ausgerissen. Das Wasser befand sich in weiter Entfernung. Sie haben im Wasser gelegen. Aber sie waren verdorben, weil es sehr heiß da war. Um 10 Uhr morgens hatte ich Handschuhe an, um etwas am Helikopter zu machen, weil er so heiß war. Die verdorbenen Konserven haben wir hinter einen Zaun geworfen. Man sagte uns, dass wir das nicht machen dürften. Wir mussten eine Grube graben und über sie wachen, weil die Leute diese Konserven hätten finden und dann eine Vergiftung bekommen können. Sie haben so arm gewohnt. Man kann sich kaum vorstellen, wie arm sie waren. Ramadan war ein sehr furchtbares Fest bei ihnen. Allein durfte man nicht in die Stadt gehen oder so was machen. Ein Mensch kommt zu einem, steckt einem ein Messer in den Bauch. Man hackt sich an den Bauch und er geht einen Meter weg, breitet ein Teppich aus, kniet und beginnt, zu beten. Und dass man blutet, ist diesen Leuten überhaupt egal. Er hat das Blut eines unschuldigen Menschen fließen lassen. Seine Tat ist sehr brav.
In den Dörfern ist es bei ihnen überhaupt ziemlich merkwürdig. Ihre Kühe sehen gleich aus, aber damit sie wissen, wo welche Kuh ist, hat unser Baubataillon für sie vierstöckige Häuser gebaut. So haben sie neben jedem Treppenhaus ihre Kühe angebunden. Und damit man wusste, wo welche Kuh ist, kaufte man spezielle Büstenhalter für die Kühe. Man verkaufte spezielle Büstenhalter – blaue, grüne, rote. Es gab viele Insekten bei ihnen, und damit sie die Kühe nicht in den Euter bissen, zog man diese Büstenhalter über die Euter und band sie zu bandeiner Schleife. Auf solche Weise erkennen sie ihre Kühe, an den Büstenhaltern. (Lacht.)
Ich war auch noch war in Kundus. In Kundus hatten wir unser Lager, und wir sind durch ganz Afghanistan geflogen, man hat uns gewarnt „Jungs, gebt ihnen nichts!“ Sie mögen gerne Bakschisch. Und wenn du ihnen etwas gegeben hast, müssen sie dir auch etwas geben. Ein Alter kam zu mir und sagte „Gib mir was.“ Wir haben ihm kleine Glasdosen und Tassen gegeben. So waren das ungefähr zwölf oder 15 Liter. Man konnte dort keine kleine Glasdose finden. Eine Dose ist da ein furchtbar wichtiges Ding. Auch haben wir ihm Petroleum gegeben. Der Krieg endet bei ihnen, wenn die Erntezeit kam.
Nach 40 Minuten kam er mit seiner Tochter und hat sie uns als Pfand gegeben. Zuerst haben wir gelacht. Aber dann hatten wir keine Ahnung, was wir mit ihr machen sollten. Ich habe das Petroleum abgefüllt und er hat auf mich gezeigt. So war sie immer neben mir. Egal, wohin ich ging, sie kam mit. Die Jungs haben deswegen so gelacht. Sie war auch dabei, als wir geflogen sind. Der Kommandeur sah uns und sagte „Gehen wir zum Ratgeber.“ Wir waren noch nicht ganz bei ihm angekommen, da hat er schon geschimpft. Wir haben nichts gesagt, aber er hat alles verstanden. Er sagte „Na, erwischt? Und ich habe euch gewarnt. Wo ist sie? – Da ist sie.“ Wir hatten Petroleum, Brot und noch etwas mitgebracht. Wir hatten immer Zucker und Zwiebäcke aus dem Jahr 1953. Wir haben das alles mitgebracht und haben das alles dann verkauft. Wir haben alles abgegeben. Es gab viele Nationalitäten da. Sie waren sehr arm. Auf den Dörfern waren sie besonders arm. Im Jahr 1988 wurde ich zum Rentner und man wollte mich zum dritten Mal nach Afghanistan schicken…
L. I. Haben Sie nach Ihrer Einwilligung für Afghanistan gefragt?
W. W. Natürlich nicht. Man hat uns sofort dorthin geschickt. So war es auch mit Tschernobyl. Wir haben die Staffel versammelt und sind sofort dorthin gefahren. Einige haben abgesagt, aber das hieß dann, dass man nicht weiter seinen Dienst ableisten konnte. Das ist dasselbe wie eine Kündigung. Dann bekam man auch keine Rente. Aber viele haben abgesagt. Na ja, es war ja so heiß, 50 Grad.
In Oleksandrija hatte ich eine Wohnung. Im Jahre 1988 bin ich nach Schuikiwka umgezogen. Ich bin zu Bondarenko und Solowedskij gegangen und habe um eine Wohnung gebeten, die ich dem Gesetz nach bekommen sollte. Sie sagten nur „Warte ein bisschen.“ Und dort in Schuikiwka hatte ich ein Haus, ich habe es gekauft und später habe ich dafür Geld bekommen. Und alles, und ich habe es gekauft. Ich habe bewusst die Stadt mit dem Dorf getauscht. Ich wollte sogar in Borowaja nicht wohnen. Tamara ärgerte sich darüber, dass ich nicht dort wohnen wollte. Und als die Neunziger Jahre kamen, sagte sie, dass es gut sei, dass wir im Dorf wohnten. Da es kein Essen und keine Rente gab. Und im Dorf gab es zumindest einen Keller. Wir hatten immer Kühe und jetzt haben wir eine Kuh. Aber ich trinke keine Milch, nur Saures.
Ich habe zwei Söhne, Mykola und Roman. Mykola wohnt in Charkiw mit seiner Familie. Roman wohnt hier und hat noch keine eigene Familie. Im Dorf gibt es jetzt keine Arbeit.
Um meine Gesundheit steht es schon schlecht. Bevor wir bei der Kommission abgecheckt wurden, haben wir zuerst 100 Milliliter getrunken, weil mein Blutdruck niedrig ist, damit es 150 zu 90 wird. Damit ich jede Minute abfliegen konnte. Und mein Blutdruck ist 120 zu 80, wenn ich gestresst bin, ändert er sich. Jeden Tag wurden wir damals vom Arzt abgecheckt. Ich fahre in keine Krankenhäuser und ich weiß nicht, ob ich Probleme habe. Alles tut weh. Der Magen tut weh, der Rücken tut weh. Einmal hat mir ein Arzt gesagt: „Wenn du beginnst, Arzneimittel einzunehmen, bist du kaputt.“
Jetzt bin ich 68 Jahre alt. Manchmal trinke ich Alkohol, so etwa einen Zehntelliter. Ich mochte früher gerne Bier, jetzt kostet es schon 40 Hrywnja und meine Frau sagt dann, dass es zu teuer ist. Sie sagt „Schluss! Du trinkst kein Bier mehr! 40 Hrywnja für eine 2-Liter-Flasche und eine 1-Liter-Flasche kostet 25 Hrywnja.“
Am 27. April sind wir in Tschernobyl losgeflogen. Es war 20 Minuten nach Mitternacht. Warum sind wir so lange geflogen? Wir sind von Olexandrija (Oblast Kirowohrad) nach Kiew gekommen, da begann ein sehr starkes Gewitter. Wir mussten abwarten.
Hat man dir die Wahrheit über Tschernobyl erzählt? Darf man…? Ach egal.
Wir sind am 27. April um 20 Minuten nach Mitternacht losgeflogen. Man hat uns bis zum Wohnheim begleitet.